Interview mit Iris Bernert-Leushacke
Über neun Millionen ZuschauerInnen (etwa 25 % aller ZuschauerInnen am Sonntag) zählte der Tatort „Hydra“ am Sonntag, den 11. Januar – ein Rekord für die Ermittler um Kommissar Faber und sein Team in Dortmund. In dem Krimi wurde ein fiktiver Mord an dem Anführer der Gruppe der "Nationalen Sozialen" Dortmund begangen. Menschen, die sich dieser Gruppe in den Weg stellten, wurden massiv bedroht und angegriffen. Die in "Hydra" dargestellten Szenen rechter Gewalt und Einschüchterungstaktik sind keine Fiktion. Das bewiesen zahlreiche Todesanzeigen mit den Namen bekannter Nazigegner, die Ende Dezember auf Twitter aufgetaucht sind.
Iris Bernert-Leushacke, seit Jahren aktiv bei Dortmund stellt sich quer und eine der SprecherInnen von BlockaDO, ist eine der Betroffenen.
Iris, was hat es mit diesen Drohungen auf sich?
Ende Dezember wurde via Twitter einigen bekannten JournalistInnen und AntifaschistInnen, auch dem Bündnis BlockaDO insgesamt, via Twitter Todesanzeigen eines antifaschistischen Fotografen zugestellt. Nach einem ersten Erschrecken haben wir gemeinsam entschieden, diese Bedrohung der Polizei anzuzeigen.
Wie war eure Reaktion auf die Todesanzeigen?
In Rücksprache mit unseren Anwältinnen haben wir am nächsten Tag die Bedrohung angezeigt. Auch haben wir beraten, diese Bedrohungssituation, die ja nicht nur Einzelne betrifft, öffentlich zu machen. Wir haben – gemeinsam – die Situation öffentlich gemacht. Dem WDR haben wir ein ausführliches Interview gegeben, die Zusammenfassung wurde am 15.Januar in der Lokalzeit gesendet.
Übrigens sind nicht nur die Personen, die in dem Interview zu sehen sind, betroffen. Es gibt weitaus mehr bedrohte Menschen, die nicht unbedingt vor der Kamera auftauchen möchten.
Indem wir stellvertretend für alle Bedrohten vor die Kamera getreten sind, haben wir die Wirklichkeit in Dortmund einmal mehr gezeigt. Der „Tatort“ vergangenen Sonntag war sehr gut recherchiert; die wirkliche Bedrohung zeigt sich jeden Tag hier und jetzt.
Was denkst du, ist der Hintergrund dieser neuen rechten Offensive?
Mit dem Angriff auf das Rathaus am Abend der Kommunalwahl hat die sog. Partei „Die Rechte“ ihre Maske endgültig heruntergerissen. Seitdem haben die Nachfolger des verbotenen „Nationalen Widerstandes Dortmund“ in ununterbrochner Folge Aktionen durchgeführt. Zuletzt hetzten sie gegen Flüchtlinge, die in Dortmund untergracht werden. Gleichzeitig haben sie eine kaskadenartige Folge von Demonstrationen, ob am 24.12. oder 31.12. durchgeführt. Diese Provokationen blieben von Dortmunder AntifaschistInnen niemals unbeantwortet. Friedliche Blockaden haben die Nazis erheblich behindert. Dieser antifaschistische Widerstand reizt sie natürlich, und so reagieren sie auch. Aber trotz diverser Einschüchterungen, der Widerstand gegen die Nazis wird natürlich weitergehen.
Wie kann der antifaschistische Widerstand in Dortmund weitergehen? Welche Strategien sind notwendig gegen die rassistische Hetze und die lokale Naziszene?
Der Widerstand hat viele Gesichter. Da sind einerseits die Verbotsforderungen gegen die sog. Partei „Die Rechte“. Dazu gibt es Unterschrifteninitiativen vom „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ und vom DGB. Aber es sind auch die alltäglichen Aktivitäten gegen die Nazis. Sie tauchen bei Bürgerversammlungen zu Flüchtlingsunterbringungen auf, zuletzt in Eving. Dort wirkten sie so militant, dass sie nicht nur des Saales verwiesen wurden, sondern auch noch die Polizei angriffen. Also eine neue Qualität. Antifaschistischer Widerstand ist in Dortmund alltäglich gefragt. Da die Bedrohungsszenarien durch die Nazis alltäglich und allgegenwärtig sind, sind hier auch entsprechende Strategien notwendig. Daran arbeiten wir gemeinsam. Der Polizei kommt dabei übrigens auch eine Bedeutung zu: sie muss erkennen, dass die Bedrohung kein „Herumheulen“ irgendwelcher „Antifa-Aktivisten“ ist, sondern es hier um Leib und Leben geht. Die Frage, die sich in Antifa-Kreisen seit Wochen immer wieder stellt: Muss erst wieder ein Mensch tot auf der Straße liegen, bevor geeignete Maßnahmen getroffen werden?
Sicher ist es immer wieder richtig und wichtig, den Nazis Einhalt zu gebieten, ob bei Bürgerversammlungen oder bei Demos auf der Straße. Aber es sollte kritisch geprüft werden, ob und unter welchem Motto Nazis in Dortmund auflaufen dürfen. Das grundgesetzliche Versammlungsrecht wird scheinbar in Dortmund für Nazis recht liberal interpretiert. In anderen Städten gibt es andere Beispiele. Hier ist noch ein weiter Weg in Dortmund zu gehen. Medienöffentlichkeit und Einmischung der Politik auf allen Ebenen ist ein weiterer Baustein, Nazis in Dortmund einzudämmen.
Auch ist hervorzuheben, dass „lustige“ Aktivitäten Nazis in Dortmund bundesweit in die Lächerlichkeit ziehen können. Eine Facebookseite, die „Klopömpel“ gegen Nazis einforderte, hat in wenigen Tagen mehr „Likes“ erhalten, als die Nazi-Seite. Auch ein solches Engagement gegen Nazis ist richtig wichtig und gut, mit wenigen Mitteln aktiv zu werden.